Neuigkeiten 24.05.2017

Anfrage zur Belastung durch Abschulungen

Aufnahme zusätzlicher Schüler*innen an den Bochumer Schulen des längeren gemeinsamen Lernens

So genannte Abschulungen von Gymnasien und Realschulen führen zu zusätzlichen Belastungen an den Schulen des Längeren Gemeinsamen Lernens. Wir fragen nach Auswirkungen und Lösungen.

Min.

Ausschuss für Schule und Bildung 09.05.2017

Anfrage in der Sitzung von Christel Jünger, Sachkundige Einwohnerin, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Stadtverband Bochum

Aufnahme zusätzlicher Schüler*innen an den Bochumer Schulen des längeren gemeinsamen Lernens

Die Bochumer Gemeinschaftsschule, Sekundarschulen und Gesamtschulen sollen eine große Anzahl an Seiteneinsteiger*innen von Gymnasien, Schulwechsler*innen anderer Schulformen und noch nicht versorgte Flüchtlingskinder aufnehmen. Mit weiteren Kindern ist in Folge der Familienzusammenführung zu rechnen. *

Nun sind vor diesem Hintergrund Maßnahmen vorgesehen, die problematisch erscheinen.

Die wesentlichen Probleme sind:

  • Die Zügigkeit in einigen Jahrgangsstufen soll erhöht werden. Beispielsweise sollen Gesamtschulen in einzelnen Jahrgängen dann siebenzügig sein, angestrebt nach Schulentwicklungsplan ist seit Langem die Fünfzügigkeit. Um eine Integration der Seiteneinsteigerkinder zu ermöglichen, müssen dann alle Klassen des gesamten Jahrgangs aufgelöst und neu gemischt werden, was zu erheblichen pädagogischen Verwerfungen führt.
  • Die Anzahl der Container für die Schaffung weiteren Schulraums berücksichtigte nicht die jetzt einzurichtenden Zusatzklassen. Es entsteht dadurch wieder ein Raummangel an den Schulen. Außerdem ist an einigen Schulen bereits jetzt absehbar, dass die neuen Schulräume nicht im angegeben Zeitraum fertig sein werden.
  • Die Klassengröße soll auf 30 und mehr Kinder erhöht werden,  obwohl bereits jetzt Klassen zu voll sind (bis 32 Schüler*innen) und diese auch von Kindern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf und Sprachförderbedarf besucht werden. Der Unterricht wird mit wenigen Ausnahmen von einer Fachlehrkraft gehalten, die weder eine Aus-/Fortbildung für sonderpädagogische Förderung noch in Sprachförderung für Nichtmuttersprachler*innen (DaZ/DaF) besitzt. Sie soll aber alle bestmöglich und individuell fördern und die fachlichen Voraussetzungen auch für das Abitur vermitteln, bei gleichzeitig bis zu 150 zu unterrichtenden Schüler*innen. Alles ohne zusätzliche Zeit und materielle Voraussetzungen wie differenziertes Unterrichtsmaterial. Eine Integration und bestmögliche Förderung  ist unter solchen Bedingungen zum Scheitern verurteilt!  In Bochum werden dann an den Gesamtschulen die größten Klassen die mit der heterogensten Zusammensetzung sein. Das Ziel „Kein Kind zurücklassen“ und „Prävention statt Nachsorge“, Leitmotive der letzten Legislaturperiode in NRW,  werden so ad absurdum geführt: Die Lebens- und Lernsituation wird für alle Schüler*innen an den Schulen des längeren gemeinsamen Lernens durch diese Maßnahmen verschlechtert, damit die Chancen auf einen angemessenen Schulabschluss und folglich Berufs- und Lebensperspektiven. Ca. 1/3 aller Bochumer Schüler*innen eines Jahrgangs sind davon betroffen.
  • Sekundarschulen befinden sich momentan im Aufbau. Ihr Erfolg hängt besonders auch von der Qualität der pädagogischen Arbeit ab, die durch zusätzliche Schüler*innen pro Klasse und Raumnot erschwert wird.
  • An den betroffenen Schulen fehlen Lehrkräfte und können bei Ausschreibungen zur Neueinstellung oft nicht besetzt werden. Statistisch werden auch langjährig erkrankte Lehrer*innen noch der Schule zugerechnet, so dass der eigentliche Lehrkräftemangel kaschiert wird. Unterrichtsausfall und Mehrarbeit sind die Folgen,  das Arbeitspensum und unerfüllbaren Leistungserwartungen an die Lehrkräfte schadet deren Gesundheit.


Integration und Inklusion sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben, die nicht zu Lasten bestimmter Schulformen - und damit auch  Gesellschaftsschichten - gehen dürfen.

Die Zeit jetzt aktiv im Sinne der für Bochum beschlossenen Schulentwicklungsplanung SI zu handeln und mindesten 2 weitere Gesamtschulen in Bochum zügig einzurichten ist überfällig. *** Stattdessen werden in Bochum konzeptlos Schüler*innen verteilt, weiterer Raummangel produziert und dadurch Inklusion, Integration und Bildung  behindern.

Aus diesem Problemaufriss ergeben sich die folgenden Fragen:

  1. Wann wird der im gültigen Schulentwicklungsplan SI festgeschriebene/benannte Bedarf  von 2 weiteren Bochumer Gesamtschulen endlich realisiert? Wie lange dauert es voraussichtlich bis zur Eröffnung? Wird das Ziel der fünfzügigen Gesamtschulen ad acta gelegt?
  2. Besteht die Möglichkeit, die Beschulung in Auffangklassen an den bisherigen Schulen zeitlich zu verlängern? Durch geeignete Maßnahmen wäre dort die Integration in die Schulgemeinde gegeben. Gerade bei älteren Schüler*innen besteht dann die Möglichkeit, effektiver die Fachsprache zu lernen und damit dem Fachunterricht besser folgen zu können und einen höheren Abschluss zu erreichen. (Sprachdidaktisch geht man von einer Dauer von 4- 8 Jahren für das Erlernen einer Bildungssprache aus.) - Ist eine Ausnahmegenehmigung denkbar?**
  3. Gibt es Überlegungen nach §132c Schulgesetz <Änderung von 2015 an Realschulen Hauptschulklassen einzurichten? Dies sollte ebenfalls bei vorhandenen Hauptschulen vor Ort geschehen können, wenn dort die Kapazitäten ausgeschöpft sind. ****
  4. Wie sieht die Raumsituation der Schulen nach der Bildung der Zusatzklassen nach Fertigstellung der Containerklassen aus?
  5. Welche Chancen und Möglichkeiten sehen Schulverwaltung und Schulamt, über die Bezirksregierung oder die Landesregierung weitere Lehrerstellen einzurichten und vor allem diese auch zu besetzen?
  6. Wie groß ist die Zahl der Schüler*innen (aufgeschlüsselt nach Alter), die im kommenden Schuljahr im Rahmen der Familienzusammenführung voraussichtlich nach Bochum kommen? (Die Anträge müssten doch bereits vorliegen.)


Anmerkungen:
* Nach aktuellen Zahlen müssten die bestehenden Schulen des länger gemeinsamen Lernens mindestens zum kommenden Schuljahr 200 Schüler*innen das entspricht rund 7 ½ Klassen zusätzlich aufnehmen, durch  Abstufungen Gymnasium 40, Realschule 20, Seiteneinsteiger vom Gymnasium 140. Nicht berücksichtigt wurden 36 SI unversorgte Seiteneinsteiger und Kinder, die im Rahmen der Familienzusammenführung noch kommen.
** Problem: Gymnasien dürfen keine anderen Abschlüsse vergeben! Lösungsmöglichkeit: diese Schüler*innen bleiben an den Schulen, werden formal anderen Schulen zugeordnet und es findet eine Kooperation (z.B. im Stadtteil, benachbarte Schulen) statt. Da durch G8 der Raumbedarf der Gymnasiums geringer wurde, müssten bei den meisten Räume zur Verfügung stehen. Damit wäre das Raumproblem verringert, teure und unzureichende Provisorien wie  Container-/-Leichtbauten würden vermieden.
*** Für das kommende Schuljahr 2017/2018 wurden 115 Schüler*innen an den Gesamtschulen abgewiesen.
**** § 132c (Fn 8) Sicherung von Schullaufbahnen
(1) Der Schulträger einer Realschule kann dort einen Bildungsgang ab Klasse 7 einrichten, der zu den Abschlüssen der Hauptschule (§ 14 Absatz 4) führt, insbesondere wenn eine öffentliche Hauptschule in der Gemeinde oder im Gebiet des Schulträgers im Sinne des § 78 Absatz 8 nicht vorhanden ist. Dies gilt als Änderung der Schule im Sinne des § 81 Absatz 2.