Berufsverbote – aufarbeiten und entschädigen!

Arbeitskreis in Niedersachsen könnte Vorbild für NRW sein

Beim Gewerkschaftstag der GEW NRW liegt Ende Mai ein Antrag zu den Berufsverboten ab den 1970er-Jahren auf dem Tisch. Er fordert die Politik auf, betroffene Kolleg*innen zu rehabilitieren und zu entschädigen. Das NRW-Nachbarland ist bereits einen Schritt weiter: 2016 stellte sich die Landespolitik der Vergangenheit und verabschiedete den Beschluss „Radikalenerlass – ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte Niedersachsens“. Rüdiger Heitefaut, Geschäftsführer der GEW Niedersachen, ist ehemaliges Mitglied des Arbeitskreises zur Aufarbeitung der Berufsverbote in Niedersachsen und berichtet.
Berufsverbote – aufarbeiten und entschädigen!

Foto: Alexander Paul Englert

Die auf dem Beschluss der Ministerpräsidenten vom 28. Januar 1972 – dem sogenannten Radikalenerlass – basierende Praxis, Bewerber*innen für den öffentlichen Dienst dahingehend zu überprüfen, ob sie „jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung“ eintreten, hat erheblich zu einem Abbau demokratischer Rechte beigetragen.

Berufsverbote griffen ab den 1970ern in das Leben der Landesbediensteten ein

Dass Bewerber*innen pauschal auf ihre Verfassungstreue überprüft wurden, führte zu Verunsicherung sowie einem gesellschaftlichen Klima der Bespitzelung und der Gesinnungsschnüffelei. Der „Radikalenerlass“ hat daneben massiv in das Leben einzelner Menschen eingegriffen, die entweder gar nicht erst ihren angestrebten Beruf als Lehrkraft, Postbot*in oder in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung ausüben durften oder als Beamt*in beziehungsweise Angestellte aus dem Dienst entlassen wurden.

Berufsverbote abgeschafft und Wiedereinstellung in 1990 – Aufarbeitung Fehlanzeige!

Auch das Land Niedersachsen hat in den 1970er- und 1980er-Jahren Kolleg*innen mit Berufsverboten belegt. Erst 1990 wurden die Berufsverbote durch die erste rot-grüne Landesregierung unter Gerhard Schröder abgeschafft und viele der Opfer wieder in den Landesdienst eingestellt. Was allerdings damals nicht geschah, waren Aufarbeitung, Entschuldigung und Rehabilitierung der mit Berufsverboten überzogenen Kolleg*innen – geschweige denn eine materielle Entschädigung für das erlittene Unrecht.

Aufarbeitung der Berufsverbote und Entschädigung erst ab 2016

Es sollte mehr als 15 Jahre dauern bis der Landtag im Dezember 2016 erneut bei einer rot-grünen Landesregierung eine Entschließung zum „Radikalenerlass – ein unrühmliches Kapitel in der Geschichte Niedersachsens“ annahm. Das Parlament entschuldigte sich bei den Betroffenen ausdrücklich und setzte eine Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Schicksale der von Berufsverboten betroffenen Personen ein.

Arbeitskreis untersuchte Einzelschicksale und sprach Empfehlungen an Politik aus

Die Landesregierung berief die frühere Landtagsabgeordnete Jutta Rübke, die einen Arbeitskreis (AK) unter anderem aus Betroffenen und Gewerkschaftsvertreter*innen sowie aus Wissenschaft und Kirchen zusammenstellte. Der AK arbeitete nach und nach Einzelschicksale der Opfer von Berufsverboten auf, dokumentierte sie und sprach Empfehlungen an die Landesregierung aus, wie eine Rehabilitierung vorzunehmen sei. Auch wenn es nicht ausdrücklich im Auftrag formuliert war, so hat der AK maßgeblich auf Hinweis der Gewerkschaftsvertreter*innen zugleich eine materielle Wiedergutmachung empfohlen.

Ein Fonds aus Landesmittel soll die Opfer finanziell unterstützen

Fast alle der betroffenen Kolleg*innen sind inzwischen im Rentenalter, bereits verrentet oder pensioniert worden und konnten wegen der Berufsverbote keine ausreichende Altersversorgung aufbauen. Um die Betroffenen ohne langjährige juristische Auseinandersetzungen bis hin zu notwendigen Änderungen der Sozial- beziehungsweise Versorgungsgesetze zu unterstützen, empfahl der AK auf Vorschlag der Gewerkschaftsvertreter*innen die Bildung eines aus Landesmitteln gespeisten Fonds.

Betroffene sollten die Möglichkeit haben, relativ unbürokratisch und zeitnah finanzielle Hilfen zu beantragen. Die Entscheidungen über die Anträge auf Entschädigungsleistungen sollte nicht das Land treffen, sondern ein aus Unabhängigen zusammengesetzter Beirat.

Diese Empfehlungen des AK sind bisher nicht umgesetzt worden, zumal nach dem erneuten Regierungswechsel im Herbst 2017 von Rot-Grün zu SPD/CDU das Interesse an einer weiteren Bearbeitung des Themas bei der Großen Koalition sehr gering ist.

Rehabilitierung der Opfer sowie ihre Entschädigung muss bundesweit auf die Agenda!

Die GEW muss aber auch unter den veränderten politischen Rahmenbedingungen die SPD immer wieder an den Beschluss des Landtags und die Empfehlungen der Landesbeauftragten erinnern und die Betroffenen weiterhin unterstützen. Die GEW Niedersachsen leistet diese Unterstützung und wünscht, dass das Thema Berufsverbote und die Rehabilitierung der Opfer sowie ihre Entschädigung bundesweit auf der Agenda bleibt. Es gilt, damit weiterhin die Erinnerung an dieses unrühmliche Kapitel aufrechtzuerhalten – in Zeiten von Populismus und Geschichtsvergessenheit ein wichtiger Beitrag zur politischen Bildung und damit ein Beitrag zur Stärkung der Demokratie!

Rüdiger Heitefaut, Geschäftsführer der GEW Niedersachen und ehemaliges Mitglied des Arbeitskreises zur Aufarbeitung der Berufsverbote in Niedersachsen