Besuch in Israel: Wie Vertrauen entstand

45 Jahre Partnerschaft zwischen Histadrut Tel Aviv-Jaffa und dem DGB NRW

Wie Vertrauen und Freundschaft vor dem Hintergrund schrecklicher Verbrechen wachsen können, zeigt die Partnerschaft zwischen der Histadrut Tel Aviv-Jaffa und dem DGB NRW. Im April 2019 reiste eine NRW-Delegation nach Israel. Die Bezirksvorsitzende des DGB NRW war zusammen mit Bezirksvorsitzenden und Vertreter*innen der Mitgliedsgewerkschaften anlässlich des 45. Jubiläums dieser Partnerschaft von der Histadrut zu einem Besuch nach Israel eingeladen.
Besuch in Israel: Wie Vertrauen entstand

Foto: Corbis Infinite/Fotolia

Zu der Feierlichkeit kam mit Walter Haas, dem früheren DGB-NRW Bezirksvorsitzenden, ein Wegbereiter der Kooperation. Nach dem Völkermord der Deutschen an den Juden wenige Jahre zuvor, war die Annäherung für beide Seiten äußerst schwierig und kompliziert. Die Protagonist*innen überwanden jedoch Rückschläge und Ressentiments, weil sie davon überzeugt waren, dass Dialog und Austausch insbesondere im Jugendbereich zu einer stabilen Freundschaft und guten Beziehungen führen können.

Erinnerung wachhalten und Beziehungen zu israelischen Kolleg*innen weiterentwickeln

Die Früchte ihrer Bemühungen und ihrer Beharrlichkeit konnte die Delegation aus NRW zusammen mit den Kolleg*innen der Histadrut Tel Aviv-Jaffa in der Woche vor Ostern feiern. Über die Feierlichkeiten hinaus bot die Delegationsreise Raum für intensive Gespräche zwischen den Gewerkschaftsvertreter*innen. Die freundschaftlichen Beziehungen sollen auch in Zukunft weiterentwickelt werden und regelmäßig Austausch und Delegationsbesuche stattfinden.

Die Erinnerung wach zu halten und auch bei jungen Menschen einen verantwortungsbewussten Umgang mit unserer Geschichte zu begründen, sind dabei wesentliche Ziele. Über die Beschäftigung mit der Vergangenheit hinaus ist der Blick auf die Gegenwart und die aktuelle politische Situation unumgänglich. Das Existenzrecht und auch das Recht auf Selbstverteidigung Israels sind dabei unumstößliche Prämisse. Wie zentral für die Entwicklung in der Region die Beantwortung der Frage ist, wie das Zusammenleben zwischen Israelis und Palästinenser*innen in einer friedliche Koexistenz Realität werden kann, das wissen unsere israelischen Kolleg*innen selbst am besten.

Gewerkschaftlicher Dialog zwischen Deutschland und Israel wichtiger denn je

Unsere Aufgabe sehen wir dabei vor allem darin den gewerkschaftlichen Dialog zu unterstützen und bei möglichen Konfliktlösungen dann hilfreich zur Seite zu stehen, wenn dies gewünscht wird. Die Partnerschaft zwischen unseren Organisationen, die in diesen Jahrzehnten gewachsen ist, lässt zugleich eine solidarische und kritische politische Diskussion über die Politik der Regierungen unserer beiden Länder im Rahmen unseres Austauschs zu. Dass diese Freundschaft auf ein solch vertrauensvolles Niveau wachsen konnte, dafür sind wir dankbar.

Frauenorganisation betreibt bilinguale Kita mit jüdischen und arabischen Kindern

Es gibt Ansätze und Projekte, die Mut machen und auf Austausch und Verständigung zwischen jüdischen und arabischen Israelis zielen – auch unterschiedlicher religiöser Hintergründe. Beeindruckt hat uns die Arbeit eines von der Frauenorganisation der Histadrut, der Na'amat, gegründeten Kindergartens in Tel Aviv-Jaffa. Die bilinguale Einrichtung berücksichtigt neben den sprachlichen auch die kulturelle und religiöse Herkunft der Kinder.

Die gemischten Gruppen feiern gemeinsam alle religiösen Feste, Namen werden Hebräisch und Arabisch geschrieben, die Kinder erleben die Unterschiedlichkeit als Normalität. Ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit dieses Kindergartens ist die Einbindung der Eltern, auch sie sollen sich begegnen und sich miteinander für die Belange der Kinder engagieren. Eng verzahnt sind diese Bemühungen mit dem Community Building, das die in Jaffo noch immer durchmischte Nachbarschaft belebt.

Besuch im Krankenhaus mit gelebter Koexistenz

Auch im Krankenhaus begegnen sich jüdische und arabische Israelis nicht nur als Patient*innen und Ärzt*innen oder Pfleger*innen, sondern auch als Kolleg*innen. Wie sehr aktive Betriebsrät*innen hier für gute Arbeitsbedingungen und ein Klima innerhalb der Belegschaft sorgen, das ihre Eigenschaften als Kollektiv aus Arbeitnehmer*innen betont, war ein beeindruckendes Beispiel für gelebte Koexistenz. Bei diesem Besuch erfuhren wir auch, dass nicht nur dieses Krankenhaus immer wieder Menschen aus dem Gaza-Streifen und der Westbank behandelt.

Kleine Ansätze für ein großes Ziel im Nahen Osten

Diese kleinen Ansätze für ein friedliches Zusammenleben gehen allzu oft in den Nachrichten unter, die uns aus der Region erreichen. Dennoch können sie Mut machen, weil sie möglicherweise die Pflänzchen sind, aus denen heraus eines Tages der Frieden in der Region erwachsen kann. Denn Frieden und Sicherheit wünschen sich auch die allermeisten Menschen im Nahen Osten.

Anne Knauf, DGB NRW