Eine Reise in den Ruhestand auf unebenen Wegen

Schulleitung und Schulgestaltung – alle sind gefragt: „Ich bin dann mal ein Gebäude bau'n“

Das Ende des Berufslebens in Sicht und nochmal eben ein Schulgebäude bauen: Angelika Pick ist Schulleiterin und gestaltet ihren Übergang mit einem Großprojekt, das in zwei Jahren fertig sein muss.
Eine Reise in den Ruhestand auf unebenen Wegen

Foto: pixabay

Die Lore-Lorenz-Schule in Düsseldorf feierte vergangenes Jahr ihr 40. Jubiläum. Einen bedeutenden Teil dieser Zeit gestaltete Angelika Pick in ihren 16 Jahren als Schulleitung des Berufskollegs mit. Jetzt steht in zwei Jahren ihr Ruhestand bevor, der mit einer großen Veränderung für die Schule verbunden ist. Ein Gebäude wird abgerissen und im Eilverfahren ein neues gebaut – pünktlich zum Renteneintritt soll alles fertig sein, damit in der frisch erbauten Aula gefeiert werden kann. Warum sich die 64 Jährige kurz vor der Pension in ein Bauvorhaben stürzt, verstehen wir ganz genau, wenn wir ihre Geschichte hören.

Neue Ufer rufen: Von der Vertretung zur Schulleitung

„Nach mir die Sintflut“ ist ein Spruch, der keinesfalls auf Angelika Pick passt. Und das deutete sich schon in ihrer Zeit als Vertretung der Schulleitung an. Damals wurde sie mehrfach aufgefordert sich als Schulleiterin zu bewerben, aber schnell war klar, dass es ihr wichtig war ihre Aufgaben zu beenden, bevor sie neue Wege geht. Zu diesem Zeitpunkt ging es nicht um einen Neubau, sondern um die Eingliederung einer anderen Schule, die sich in der Auflösung befand: „Aus einer unfertigen Sache ziehe ich mich nicht raus, irgendwann war aber die Integration gelungen. Dann war es Zeit für neue Ufer.“ 

Der Weg als Schulleiterin war in seinen Anfängen ungewisser als er auf den ersten Blick wirkte, denn um die Lore-Lorentz-Schule war eine Schließungsdebatte entfacht: „Entweder schaffen Sie das oder Sie sind kein Versorgungsfall“, ließen die Vorgesetzten verlauten. Diese Herausforderung nahm Angelika Pick an. Selbst, wenn die Schulaufsicht ihre Stelle als sichere Sache wahrnahm, es gab ja die Probezeit und das Konzept der Schulleitung auf Zeit. Sie würde sich also reinhängen müssen und die nächste Hürde nach der Schulintegration nehmen.

Werte leben: Demokratie, Verantwortung und Offenheit für Neues

Ein Berg voll Arbeit also, den es da anzupacken galt. Ein grundlegendes Ziel ihrer Leitung war und bliebe die Demokratisierung an ihrer Schule: „Das kann man nicht aufstülpen, das muss man langsam wachsen lassen. Und mit Freude kann ich sagen, dass wir das erreicht haben. Beispielsweise haben wir für das Kollegium Mitbestimmungsregularien eingeführt, die mich als Schulleitung auch schriftlich binden. Diese gehen zudem weit über das rechtlich Verpflichtende hinaus.“ Denn die Entwicklung des Berufskollegs soll nicht nur von der Schulleitung ausgehen, sondern von allen Kolleg*innen getragen werden.

An ihrer Schule schätze Angelika Pick ebendiese Qualitäten ihres Kollegiums und dass es gelungen sei, die Werte der Namensgeberin Lore Lorentz zum Programm zu machen. So gibt es neben dem regulären Unterricht verschiedene Arbeitsgruppen (AGs), die zum Beispiel das demokratische Miteinander erfahrbarer und die Verantwortung der deutschen Geschichte verständlich machen sollen oder auch neue Tätigkeitsbereiche wie den Journalismus. „Besonders habe ich mich darüber gefreut, dass vor Kurzem unsere eigene Schulzeitung ausgezeichnet wurde und momentan als bundesweit beste ihrer Art an einem Berufskolleg gilt“, erzählt Angelika Pick. Durch solche und ähnliche Möglichkeiten würde es Schüler*innen letztlich ermöglicht unterschiedlichste Erfahrungen zu sammeln, die in regulärem Unterricht nicht vermittelbar seien.

Veränderungen und Chancen sind mit dem Neubau des Schulgebäudes verbunden

Als Schulleiterin füllt sich der Kalender immer schnell und man muss vielen verschiedenen Anforderungen gerecht werden. Aber trotzdem fühle es sich für Angelika Pick „einfach nur gut“ an ihr Amt ausfüllen zu können, „weil in unserer Schule so viel positive Bewegung steckt.“

Genauso wäre es auch, wenn sie auf die vergangenen Jahre zurückschaue oder in die Zukunft blicke: „Es ist ein erfüllendes Gefühl zu erkennen, dass alles einen Sinn macht und zu sehen, dass die Beteiligten jetzt schon in den meisten Fällen ohne mich zurechtkommen.“ Zwar gibt es auch bei ihr den nostalgischen Blick zurück mit all den Erinnerungen, die Angelika Pick in den vergangenen Jahren gesammelt hat, aber genauso den Hauch der Veränderung und die Chancen, die mit dem Neubau verbunden sind.

Schlusssprint: Kurz vor dem Ruhestand sprudeln die Ideen für das moderne Schulgebäude

Gerade hier zeigt sich der Charakter der Schule, wenn Schüler*innen, Lehrer*innen und Eltern gemeinsam Ideen entwickeln, um zusammen das neue Gebäude in Absprache mit den Architekt*innen zu entwickeln. Laut Angelika Pick wären diese Beiträge sogar so fruchtbar gewesen, dass sich der Schulträger überzeugen ließ, das restliche Geld – in Höhe von rund fünf Millionen Euro – zur Umsetzung der Ideen zu investieren. 
Ein Schlusssprint sei das Bauverfahren im Eiltempo allerdings nicht für Angelika Pick. Wenn sie an ihre jetzige Situation denke, dann wirke es mehr wie eine Art Abrundung und es freue sie, wenn es für die innere Würde der Schule bald eine äußere Entsprechung gäbe. Dieses Äußere soll unterdessen kein einfacher Abklatsch des Hauptgebäudes sein, sondern seinen eigenen Charakter haben, der dennoch Ähnlichkeiten aufweist.

Keine Baustellen hinterlassen und bis zum Ende jeden Tag mitnehmen

Der Übergang in den Ruhestand will für Angelika Pick gut organisiert sein, um eine gewisse Planungssicherheit zu haben. Teil dieser Strategie war beispielsweise die Gliederung der Dinge, die in den letzten zwei Jahren geklärt werden müssen, damit es im abschließenden Jahr nichts Großes mehr gibt, das erledigt werden muss. Zu wissen, dass der Weg für die Schule geebnet sei, tue ihr gut. „Es ist schön Klarheit darüber zu haben, dass keine Baustellen mehr da sein werden.“

Bis dahin wird auf jeden Fall jeder Tag als Schulleitung vielfältig und spannend sein: „Alle Tage sind anders. Es gibt solche, an denen ich nur in Gemeinschaft bin, aber es gibt auch Tage, an denen die Türe fürs Brainstorming geschlossen wird. So habe ich eben zum Beispiel noch ein Interview gegeben wegen eines Schulpreises. Gleich nach unserem Gespräch geht es zu einer erweiterten Schulleitungskonferenz. Und bald kommen die Abifeiern und das Sommerfest.“

Kein Buch über Schule schreiben, sondern lieber tanzen gehen

Anlässe für gute Laune wird es nach dem Bau des Gebäudes also einige geben. Zuversichtlich schaut Angelika Pick darauf, dass ihr Einstand in die Rente in der neuen Aula gefeiert wird – aber als Schulleiterin hat sie für den Zweifelsfall schon längst Alternativen in der Hinterhand. Man weiß ja nie.
Wie dann nach all den Jahren der Ruhestand aussieht? Klar sei, dass es kein berufliches Comeback geben soll, genauso wenig wie sie kein Buch darüberschreiben will, wie man eine Schule gut leitet. Privat gibt’s ganz andere Dinge, die Angelika Pick interessieren und auf die sie sich freut: zum Beispiel der Förderverein der Schule, Lokalpolitik oder vielleicht auch mal wieder tanzen gehen. Dafür war in den vergangenen Jahren einfach zu wenig Zeit geblieben. 

Alexander Schneider, freier Redakteur und Fotograf