Eine förderliche Lernumgebung schaffen, Reviere abstecken, Unterrichtsabläufe und Rituale bis ins Detail vorstrukturieren, Materialien für das Training basaler Fähigkeiten und die Freiarbeit bereitstellen. All diese Dinge gehören zum „normalen“ Alltag von Grundschullehrer*innen, die ein erstes Schuljahr übernehmen.
Einschulungsfeiern sind sehr beliebt, aber was bedeutet Einschulung eigentlich für die Lehrkräfte?
Schon bevor das neue Schuljahr überhaupt beginnt, also in den letzten Wochen der Sommerferien, steht für viele Kolleg*innen eine Menge Arbeit auf dem Programm. Denn der Start ins Schulleben fordert auf der Seite der Lehrkräfte eine akribische Vorbereitung. Eine Herausforderung, der sich viele gerne stellen, die aber auch eine intensive Beschäftigung mit den Grundlagen frühkindlicher Bildung erfordert.
In den vergangenen Jahren gab es viele Veränderungen, die auf die Arbeit von Lehrer*innen Einfluss nehmen. Eine wichtige Rolle spielt unter anderem die Zusammensetzung der Klassen, wie an der aktuellen IQB-Studie „Bildungstrend 2016“ deutlich wird. Maike Finnern, stellvertretende Vorsitzende der GEW NRW, kommentiert das Ergebnis so: „Damit ist wieder einmal nachgewiesen, dass die soziale Herkunft einen starken Einfluss auf das Lernen hat. Deshalb fordern wir schon lange einen schulscharfen Sozialindex, der solche Faktoren berücksichtigt.“ Außerdem sind die Kinder von heute anders „gestrickt“ als die von vor 20 Jahren. Eine persönliche, nicht repräsentative Befragung einiger Kolleg*innen aus der Grundschule bestätigt dies.
Wie lange hält die Konzentration im Unterricht?
Viele Kinder können sich heutzutage immer schlechter selbst organisieren. Das bedeutet, sie brauchen immer mehr Unterstützung bei ihrer Arbeitsorganisation. Die Lernvoraussetzungen bei der Einschulung driften immer weiter auseinander. Das vorgezogene Einschulungsalter entspricht nicht der tatsächlichen Entwicklung vieler Kinder. Neben Konzentrations- und Wahrnehmungsproblemen zeigt sich auch ein deutlicher Rückgang bei der Anstrengungsbereitschaft.
Warum überhaupt die ganze Mühe in der Schule?
Welche*r Lehrer*in kennt es nicht, schon um 8.30 Uhr gefragt zu werden: „Wann haben wir eigentlich Pause?“, „Wann kann ich endlich frühstücken?“ oder „Ist bald Schule aus? Ich bin müde!“. Solche Fragen sind heute völlig normal. Erstklässler*innen fällt es häufig schwer, ihre eigenen Bedürfnisse zurückzustellen: Warum soll ich mich überhaupt anstrengen? Wieso soll ich zu Mitschüler*innen und Lehrer*innen freundlich sein? Warum muss ich auch mal ruhig auf dem Stuhl sitzen bleiben?
Unterstützung beim Übergang von der Kita in die Grundschule
Das macht es für Lehrer*innen immer schwieriger, Kinder dort abzuholen, wo sie wirklich stehen. Genau deshalb besteht der ausdrückliche Wunsch nach einer Doppelbesetzung. Insbesondere in den ersten Wochen wäre das eine enorme Bereicherung, die bei der Organisation und dem Einüben von Regeln und Arbeitsabläufen helfen kann. Sozialpädagogische Fachkräfte für die Schuleingangsphase sind Fachleute für den Übergang von der Kita an die Grundschule. Sie helfen mit, Kinder an das Lernen heranzuführen und werden daher dringend an jeder Grundschule benötigt.
Lernfreude der Kinder wecken und aufrecht erhalten
Ebenso besteht dringender Bedarf an kleineren Klassen, größeren Räumen und mehr Platz für Ausweichmöglichkeiten, um den Kindern differenzierteres und damit auch effizienteres Arbeiten zu ermöglichen.
All diese Dinge sind ausschlaggebend für den Start ins Schulleben – und dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, dass fast in jedem ersten Schuljahr Kinder mit verstärktem Förderbedarf sitzen. Und auch nicht, dass den Eltern der Kinder immer häufiger die Möglichkeiten fehlen, ihre Kinder beim Schulanfang intensiv zu begleiten.
Um so schöner, dass sich Jahr für Jahr Kolleg*innen mit großem Engagement in das Abenteuer „erstes Schuljahr“ stürzen und ihren Unterricht so gestalten, dass die Lernfreude so lange wie möglich anhält.
Astrid Tjardes, Grundschullehrerin und Mitglied im Leitungsteam der Fachgruppe Grundschule der GEW NRW