Gelsenkirchen soll eine lernende Stadt werden

Bildung und Beteiligung der Menschen gilt als Schlüssel

„Wandel is’ immer“ lautet das diesjährige Motto von GEW-aktiv in Gelsenkirchen. Die Entwicklung der ehemaligen Bergbaustadt begleitet Oberbürgermeister Frank Baranowski schon seit 2004 als Stadtoberhaupt. Wünsche hat er trotzdem auf dem Zettel. Bei GEW-aktiv 2017 – der Veranstaltung für alle Aktiven in der Bildungsgewerkschaft – am 8. und 9. September wird er zu Gast sein.
Gelsenkirchen soll eine lernende Stadt werden

Foto: birgitH/pixelio.de

Gelsenkirchen macht immer wieder negative Schlagzeilen: hohe Kinderarmut, hohe Arbeitslosigkeit, hohe Kriminalität. Trotzdem glaubt der Oberbürgermeister an das Potenzial seiner Stadt – vor allem im Bereich Bildung.

Mit der Schließung der 40 Zechen in Gelsenkirchen hat sich das Stadtbild seit den 1960er Jahren stark gewandelt. Wie sehen Sie Ihre Stadt heute?

Gelsenkirchen ist heute eine Stadt mit hohem Wohn- und Aufenthaltswert, modernen, digital vernetzten und logistisch gut erreichbaren Gewerbegebieten und einer modernen Bildungslandschaft. Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viel geschafft. Wir arbeiten ja schon länger daran, junge Menschen möglichst gut zu fördern – von Geburt an bis zum Eintritt in den Beruf. Entsprechend ist Gelsenkirchen völlig zu Recht zum Standort für das NRW-Talentzentrum geworden.

Unsere Aktivitäten aus der Stadterneuerung und aus der Bildungs- und Wirtschaftspolitik greifen ineinander. Etliche verstärken sich gegenseitig, manche entfalten erst mit der Zeit ihre Wirkung. Dabei arbeiten wir nicht für schnelle Erfolge, sondern für langfristige Effekte. Es geht mir um Nachhaltigkeit, nicht nur in der Klima- und Umweltpolitik.

Natürlich bleibt auch weiterhin eine Menge zu tun. Wir haben immer noch eine hohe Anzahl Langzeitarbeitslose, es fehlen nach wie vor Arbeitsplätze im einfachen Bereich. Unser schon weit fortgeschrittener Versuch, mit einem sozialen Arbeitsmarkt hier gezielt zu helfen, ist ja leider von der neuen Landesregierung verhindert worden, indem sie die bereits zugesagten Fördermittel gestoppt hat.

„Wandel is’ immer“ – so lautet das diesjährige Motto von GEW-aktiv, wo Sie zu Gast sind. Wie verändern sich die Gelsenkirchener Bildungseinrichtungen, um  Herausforderungen wie Inklusion, Migration und Digitalisierung gerecht zu werden?

Wir haben das Thema Digitalisierung bei Investitionen in unsere Bildungseinrichtungen sehr intensiv bearbeitet. Alle unsere Schulen verfügen über leistungsstarke Breitbandinternetanbindungen und moderne Whiteboards gehören in vielen Schulen schon zur Standardeinrichtung. Gleichzeitig investieren wir viel Geld, um unsere Schulen den Anforderungen der Inklusion anzupassen. Barrierefreiheit ist da nur eines der wichtigen Themen. Eine große Herausforderung ist derzeit Migration. Zuwanderung und Flucht haben uns so viele Schüler*innen beschert, dass wir dringend neue Räume und neues Lehrpersonal benötigen.
 
Wir stellen uns intensiv der Frage, wie die Stadt von morgen aussieht. Das tun wir zum Beispiel im Wettbewerb „Zukunftsstadt“, den das Bundesministerium für Bildung und Forschung ausgeschrieben hat. Der Wettbewerb hat das Ziel, gemeinsam mit Bürger*innen, Wissenschaftler*innen, Ratsvertreter*innen, Verwaltungsmitarbeiter*innen, Verbänden, Bildungseinrichtungen, Stiftungen und Unternehmen eine nachhaltige und ganzheitliche Vision 2030+ zu entwickeln.

Als „lernende Stadt“ will Gelsenkirchen aus bislang existierenden Bildungs- und Partizipationsmaßnahmen schöpfen und diese zu einem „Netz der Netzwerke“ zusammenführen. Ziel dabei ist, zukunftsorientierte Umsetzungsvorschläge in allen Bereichen des Lebens und der Stadtentwicklung zu entwerfen und die Zusammenarbeit in der Region anzuregen. Dabei werden Bildung und Partizipation, also das Mitwirken der Menschen an den Prozessen, als Schlüssel für die nachhaltige Stadtentwicklung gesehen. Damit Gelsenkirchen zukunftsfähig sein kann, müssen wir auf Bildung der Bürger*innen setzen. Durch Partizipation lernen sie gleich doppelt: Es ist ein handelndes Lernen und vermittelt Gestaltungskompetenzen.

Wir sind jetzt bereits in der zweiten Phase des Wettbewerbs „Zukunftsstadt“. Insgesamt 20 Kommunen wurden von einer Jury aus Expert*innen ausgewählt, mit Bürger*innen und Wissenschaft ihre Ideen für eine lebenswerte und nachhaltige Stadt weiterzuentwickeln.

Damit haben wir in Gelsenkirchen wichtige Schritte in Richtung Bildung und Beteiligung getan. Jetzt, wo wir die zweite Stufe im Wettbewerb erreicht haben, werden wir weiter daran arbeiten können, den Zugang zu Bildung für jede*n zu vereinfachen und damit die Chancengerechtigkeit auszubauen.

Wenn Sie einen Wunsch für die Zukunft Ihrer Stadt frei hätten... Welcher wäre das?

Vollbeschäftigung! Wenn wir für jeden Menschen in der Stadt einen Arbeitsplatz hätten, würden wir in einem solchen Maße Transferleistungen sparen, dass wir in allen Bereichen investieren und unsere erfolgreiche Stadt voranbringen könnten.

Was der Oberbürgermeister zu Kitas, zum Lehrkräftemangel und über die Entwicklung der Fachhochschule in Gelsenkirchen sagt, zeigt die nds 9-2017 ab 22. September 2017.

Die Fragen stellte Jessica Küppers, Redakteurin im NDS Verlag.