Kein Anreiz für junge Lehrkräfte

Paradies für Bewerber*innen – Albtraum für Auswahlkommissionen

Die schulscharfen Einstellungen bieten Bewerber*innen eine Wahlmöglichkeit. Junge Lehrkräfte haben die Chance, aus unzähligen freien Stellen das Beste auszusuchen. Doch jede Menge Stellen laufen leer. Und eine ganze Grundschulgeneration leidet darunter. Gerade in sozialen Brennpunkten ist die Situation verheerend. Die Grundschulen müssen immer wieder neu ausschreiben, weil die Stellen seit eineinhalb Jahren unbesetzt bleiben.
Lehrkräftemangel erfordert eine Sofortlösung

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Zunächst muss die Lehrer*innenkonferenz das Gremium für die Auswahlkommission bestätigen. Dann werden die Stellen im Internet veröffentlicht und das bange Warten auf Bewerbungen beginnt. Nach Bewerbungsschluss trifft sich die Auswahlkommission zu einer Vorauswahl. Sie sichtet eingegangene Unterlagen und lädt die Bewerber*innen zu Auswahlgesprächen per Brief und E-Mail ein. Wenn bis dahin nicht schon alle Bewerber*innen ihre Termine abgesagt haben, finden dann Gespräche statt.

In Brennpunkten wie Duisburg hofft die Kommission jedes Mal, dass die angehenden Lehrkräfte überhaupt zum Bewerbungsgespräch erscheinen, um sich die Schule einmal anzuschauen und ein – hoffentlich positives – Bild zu machen.

Schulen sind frustriert, weil Stellen leerlaufen

Die Auswahlgespräche beinhalten in der Regel eine Schulführung oder ein Einstiegsreferat sowie meistens vier Fragen, die Bewerber*innen beantworten müssen. Nach den Gesprächen tagt die Kommission erneut, um eine Platzierung der Bewerber*innen festzulegen und alles zu protokollieren. Ist die Wahl getroffen, bekommt die Lehrkraft auf Platz 1 ein Angebot. Sie hat drei Werktage Zeit, sich dieses durch den Kopf gehen zu lassen. Erst wenn Bewerber*innen die Stellen absagen und das unterschreiben, können die Stellen anderen Kandidat*innen angeboten werden. Sollten alle Bewerber*innen die Stelle absagen oder niemand zu den Auswahlgesprächen erscheinen, läuft die Stelle leer und muss erneut ausgeschrieben werden. 

Das geht auch an der Auswahlkommission in Duisburg nicht spurlos vorbei. Waren deren Mitglieder anfangs noch hochmotiviert und hoffnungsvoll, die freien Stellen zu besetzen, hat sich das Blatt vor eineinhalb Jahren gewendet. Denn mittlerweile haben Bewerber*innen die freie Auswahl und die Schulen müssen zum Teil zum achten Mal die gleichen zwei Stellen ausschreiben. Der Frust ist groß und der Galgenhumor schon lange verklungen.

Zentrale Stellenverteilung ist dringend notwendig

Aus diesem Grund ist in der jetzigen Situation die Aussetzung der schulscharfen Einstellungen zugunsten einer zentralen Stellenverteilung notwendig, damit auch Schulen in weniger begehrten Bezirken die freien Stellen besetzen können. Auch wenn das zur Folge hätte, dass junge Lehrkräfte nicht mehr die freie Wahl hätten, sondern wie bereits im Referendariat zugewiesen würden.

Jetzt muss eine Lösung gefunden werden, die sofort greift. Langfristig muss der Beruf Grundschullehrer*in attraktiver gestaltet werden – durch die Anhebung der Besoldung auf A13 sowie im sozialen Brennpunkt unter anderem durch Stundenentlastung und finanzielle Zuschläge. Doch bis diese Forderungen durchgesetzt werden, hat eine ganze Grundschulgeneration unter dem Lehrkräftemangel und den damit verbundenen Auswirkungen zu leiden.

Hannah Heisterkamp, Junglehrerin und Mitglied der Auswahlkommission an einer Duisburger Grundschule

Redaktioneller Hinweis: Dieser Text ist Teil einer umfassenden Serie zum Thema Lehrkräftemangel in NRW, der in den kommenden Wochen von unterschiedlichen Standorten und aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet wird.