Landesregierung bleibt hinter den eigenen Ansprüchen zurück

Anhörung zur Halbzeitbilanz in der Schulpolitik

Die GEW NRW zieht eine kritische Halbzeitbilanz zu der Schulpolitik der Landesregierung. Diese bleibt insgesamt hinter ihren eigenen Ansprüchen zurück. Gleichzeitig unterstützt die Bildungsgewerkschaft die Forderung der SPD-Landtagsfraktion zur Einrichtung einer Expertenkommission zur Zukunft der schulischen Bildung. Die Botschaft der GEW ist klar: Bildung ist zu wichtig, als dass sie in Wahlperioden gedacht werden kann.
Landesregierung bleibt hinter den eigenen Ansprüchen zurück

Foto: pixabay

„Von der Schulstruktur zur Inklusion, vom Sozialindex zum Ganztag, vom Lehrkräftemangel zur Besoldung und dazu die kolossale Unterfinanzierung: Die Baustellen in unserem Schulsystem sind Langzeitbaustellen, die uns noch länger beschäftigen werden und die uns bereits viele Jahre beschäftigt haben“, beschrieb GEW-Landesvorsitzende Maike Finnern bei der Expert*innenanhörung im Landtag den Reformbedarf in der Schulpolitik des Landes.

Die Pandemie habe wie unter einem Brennglas die Schwächen des Bildungssystems aufgezeigt. GEW-Chefin Finnern wörtlich: „Es wurde deutlich, wo Handlungsbedarf besteht. Aber die Art und Weise, wie Entscheidungen kommuniziert wurden, ging gar nicht. Dieser unentschlossene und zum Teil intransparente Kommunikationsstil wird von Lehrkräften, Schüler*innen und Eltern sicherlich nicht allzu schnell vergessen.“

Die GEW-Landesvorsitzende kontrastierte in ihrem Statement Aussagen und Versprechen der sog. kleinen Regierungserklärung zur Schulpolitik von Schulministerin Yvonne Gebauer (vom 4. Oktober 2017) mit einer kritischen Beurteilung der aktuellen Lage aus Sicht der Gewerkschaft. Maike Finnern erklärte wörtlich: „Die Landesregierung ist hinter den eigenen Ansprüchen zurückgeblieben. Wir erwarten für die zweite Hälfte der Legislatur in den nächsten 18 Monate die Einlösung der politischen Versprechen, um die Situation an den Schulen zu verbessern.“

Nach wie vor unverändert sei die soziale Ungleichheit des Schulsystems die große Herausforderung. Die bereits angekündigte Umstellung auf einen schulscharfen Sozialindex, der mehr Ressourcen und Personal an besonders benachteiligte Schulen schaffen soll, sei nicht erfolgt. Die von Yvonne Gebauer geförderten Talentschulen seien weit davon entfernt, „Leuchttürme für den Bildungsaufstieg“ zu sein. Maike Finnern: „Aus Sicht der GEW NRW ist es bedauernswert, dass der schulscharfe Sozialindex nicht mit gleichem Engagement vorangetrieben wurde wie etwa die Talentschulen. Ungleiches ungleich behandeln kann nicht nur für die Talentschulen gelten, es muss für alle der ca. 1000 Schulen mit schlechteren Bedingungen gelten! “

Schulministerin Gebauer habe in ihrer kleinen Regierungserklärung versprochen, die besol-dungsrechtlichen Konsequenzen aus der Reform der Lehrkräfteausbildung zu ziehen. „Stattdessen“, so Maike Finnern, „sitzt die Landesregierung diese längst überfällige Besoldungsreform hin zur gleichen Einstiegsbezahlung unabhängig von der Schulform weiterhin aus und befeuert damit den Lehrkräftemangel, der besonders in den Grundschulen in NRW zu spüren ist.“ Bei der notwendigen Gewinnung zusätzlicher Lehrkräfte bringe der begrüßenswerte Ausbau der Studienplatzkapazitäten allein nicht die erhofften, schnellen Erfolge. Maike Finnern: „Es braucht nicht nur mehr Studienplätze, sondern vor allem auch bessere Studienbedingungen, damit Studierende ihr Lehramtsstudium nicht vorzeitig abbrechen. Nicht jeder geschaffene Studienplatz bedeutet auch eine*n Absolvent*in.“ Außerdem fordere die GEW NRW einen zeitlich begrenzten, qualitativ hochwertigen Seiteneinstieg ins Lehramt.

Die GEW-Landesvorsitzende führte außerdem zu den weiteren Reformfeldern unter anderem aus:

Im Ganztag und in der Offenen Ganztagsschule seien Qualitätsverbesserung ausgeblieben. „Seit langem weist die GEW NRW darauf hin, dass die OGS unterfinanziert ist. In der OGS arbeiten besonders viele Frauen, die für ihre engagierte Arbeit zu schlecht bezahlt werden. Die Ausbildung der OGS-Kräfte braucht ebenso verbindliche Standards wie die räumliche Ausstattung und die personelle Ausstattung der Gruppen.“

Die Neuausrichtung der schulischen Inklusion sei „heiße Luft“. „Sie ist aus unserer Sicht ungeeignet, um spürbare Qualitätssteigerungen herbeizuführen. Es fehlen nicht nur verbindliche Standards und Rahmenvorgaben zur Personal- und Organisationsstruktur inklusiv arbeitender Schulen, sondern auch eine systematische Unterstützung der einzelnen Schulen.“

In Fragen der Schulstruktur sei kein tragfähiges Konzept für die Zukunft erkennbar. „Die im Koalitionsvertrag angekündigte ‚Wiederherstellung der Gleichbehandlung aller Schulformen‘ bzw. die ‚Beendigung der Benachteiligung der Realschulen und Gymnasien‘ erwies sich in der Praxis des Regierungshandelns als Benachteiligung der Schulformen des längeren gemeinsamen Lernens. Beispielhaft kann hier verwiesen werden auf die Schaffung einer Sonderstellung der Gymnasien bei der schulischen Inklusion oder die Weigerung festzulegen, dass jede Schule alle Schüler*innen, die sie aufnimmt, mindestens zu einem ersten Abschluss führen muss.“

Abschließend unterstrich die GEW-Landesvorsitzende die Notwendigkeit einer guten und ausreichenden Finanzierung des Bildungswesens als Grundlage weiterer Reformen in der Schulpolitik. Die von der SPD dafür geforderte Expert*innenkommission sei aus Sicht der GEW NRW ein gutes und sinnvolles Mittel. Maike Finnern abschließend: „Die GEW NRW ist gerne zu einer Mitarbeit bereit.“

Berthold Paschert, Pressesprecher GEW NRW