Zunächst das Positive: Die Ankündigung der Besoldungserhöhung für die „vergessenen“ Konrektor*innen ist uneingeschränkt zu begrüßen und lässt hoffentlich nicht lange auf sich warten. Viele Grundschulen im Land haben jedoch weiterhin keine Stellvertretung an der Spitze – geschweige denn eine Schulleitung. Die Lehrer*innen fehlen. Wie verhalten sich CDU und FDP dazu?
Lehrkräftemangel ist den Parteien nicht bekannt
Die Erstellung eines Masterplans Grundschule hört sich zunächst gut an: eine 105-prozentige Lehrer*innenversorgung, Ausweitung der Vertretungsreserve, kleinere Klassen – mittelfristige Ziele, deren Umsetzung der alten Landesregierung nur teilweise gelang. Und schon sind wir beim ersten Mangel des Koalitionsvertrags. Das Wort „Lehrkräftemangel“ kommt ebenso wenig vor wie eine Ankündigung dazu, wie die personelle und finanzielle Verbesserung an Grundschulen erreicht werden soll. Wie kann die Unterrichtssituation für die Schüler*innen der Klassen 1 bis 4 verbessert und wann werden alle Grundschullehrkräfte nach A13 bezahlt? Der Masterplan scheint eher langfristige Ziele zu verfolgen.
Eigenverantwortung der Grundschulen dank Schulfreiheitsgesetz?
CDU und FDP machen weitere Ankündigungen, die gleichzeitig Fragen aufwerfen: Ein Schulfreiheitsgesetz soll den Schulen mehr Freiheit und Eigenverantwortung bringen. Gleichzeitig sollen die Noten in Klasse 3 wieder verbindlich eingeführt werden – dies ist bisher eine eigenverantwortliche Entscheidung der Schule! Und das sollte sie auch bleiben. Die GEW NRW setzt sich weiterhin für eine Grundschule ganz ohne Zensuren ein.
Außerdem sollen die Schulen verpflichtet werden, die Ergebnisse der Qualitätsanalyse inklusive der Zielvereinbarungen im Internet zu veröffentlichen – auch darüber konnten die Schulen bisher selbst entscheiden und so ein Ranking vermeiden.
Im Sinne der pädagogischen Freiheit möchten CDU und FDP die Schulen eigene Lehrpläne erstellen lassen. Aber erst nachdem diese in den Kompetenzorientierungen überarbeitet wurden und zum Beispiel das Rechtschreiben verbindlich eine stärkere Gewichtung bekommen hat. Die Frage sei erlaubt: Ist das Schulfreiheit im festen Rahmen? Oder soll die Verantwortung vorsorglich abgeschoben werden, wenn nicht alles so läuft wie angekündigt?
Multiprofessionelle Teams an Grundschulen brauchen Fachkräfte
Schulsozialarbeit und Schulpsychologie sollen im Rahmen der multiprofessionellen Teams ausgeweitet werden – das ist wichtig und zu begrüßen. Von Seiten der Grundschulen gibt es allerdings noch eine wichtige Anregung: Die Zahl der sozialpädagogischen Fachkräfte in der Schuleingangsphase muss so aufgestockt werden, dass jede Grundschule mindestens eine Stelle für diese wichtige Arbeit erhält.
Gleichzeitiger Abbau und Aufbau von Bürokratie
Bürokratieabbau und Streichung von Erlassen plant die neue Landesregierung mit Armin Laschet an der Spitze – wer kann da schon dagegen sein? Um die Maßnahmen zu beurteilen, fehlt es allerdings an Konkretisierungen im Vertrag der Koalitionäre. Gleichzeitig wird allerdings mehr Bürokratie angekündigt, beispielsweise durch die Einführung einer neuen Statistik zum Unterrichtsausfall oder einer „unabhängigen fachlichen Beratung“ bei der Entscheidung über den sonderpädagogischen Förderort der Schüler*innen. Mehrarbeit und Misstrauen gegenüber der Kompetenz der Kolleg*innen an den Förderschulen oder im Gemeinsamen Lernen liegen dabei eng beieinander.
Fach- statt Klassenlehrer*innen an den Grundschulen?
Das Fach Ethik soll eingeführt werden, die Erteilung des Fachs Englisch überprüft und Programmieren für Grundschüler*innen in die Lehrpläne einkehren. Auch zu diesen Ankündigungen fehlen genauere Informationen: Ethik statt Religionsunterricht für alle Kinder oder nur für bestimmte Gruppen? Programmieren als neues Fach? Wer soll’s unterrichten und ab welchem Jahrgang? Soll Englisch abgeschafft oder reduziert werden? All diese Fragen lösen schon jetzt in den Kollegien heftige Diskussionen aus – nicht zuletzt angesichts des Lehrkräftemangels.
Eine Idee zur Bewältigung haben CDU und FDP schon einmal: mehr Seiteneinsteiger*innen an die Schulen! Die „Fachlichkeit“ soll gestärkt und „fachspezifische Nachbesetzungen“ ermöglicht werden. Wenn dies der erste Schritt zum Wechsel des Klassen- zum Fachlehrer*innenprinzip in den Grundschulen ist, dann wird der Masterplan Grundschule eine heftige Veränderung mit sich bringen, die nicht nur positiv ist.
Vieles im Masterplan Grundschule betrifft auch die Offene Ganztagsschule (OGS), die flexibler gestaltet werden soll bis hin zu „Platz-Sharing“. Damit ist zu befürchten, dass der bisher hochgehaltene pädagogische Anspruch aufgegeben wird. Die von der GEW NRW geforderten Standards für die OGS sucht man leider vergeblich im Koalitionsvertrag.
GEW NRW wird „Schule für alle“ verteidigen
Dieser Koalitionsvertrag eröffnet den Beginn eines Rollbacks, der den Grundschulen nicht gut tun wird und sie nicht in Ruhe arbeiten lässt. Er wird mehr Arbeit statt der versprochenen Entlastung bringen, die Konkurrenz unter den Schulen stärken und den Druck auf Kolleg*innen erhöhen. Die GEW NRW wird stark gefordert werden, zusammen mit den Kolleg*innen die Grundschule als „Schule für alle“ zu verteidigen.
Rixa Borns, Leitungsteam der Fachgruppe Grundschule der GEW NRW