Nukleare Abrüstung: Vom Nobelpreis in den Unterricht

Friedensnobelpreis für das globale Bündnis gegen Atomwaffen ICAN

Den Friedensnobelpreis bekommt in diesem Jahr die International Campaign to Abolish Nuclear weapons (ICAN). Am 10. Dezember – zum Todestag des Namensgebers Alfred Nobel – findet die Verleihung statt.
Nukleare Abrüstung: Vom Nobelpreis in den Unterric

Foto: suze/photocase.de

Die Nobelpreis-Jury würdigt mit der Auszeichnung das besondere Engagement des globalen Bündnisses von mehr als 450 Organisationen in 100 Ländern gegen den Einsatz atomarer Waffen. Bereits im Juli hatte die Initiative einen Atomwaffenverbotsvertrag durchgesetzt, den rund 122 Staaten unterstützen. Deutschland zählt wie viele andere NATO-Mächte nicht zu den Unterzeichnenden.

Im Interview berichtet Anne Balzer, Mitarbeiterin in der Pressestelle ICAN Germany, wie es nach der Auszeichnung weitergeht und welche Konzepte für Schulen geplant sind.

Welche Bedeutung hat der Friedensnobelpreis für die ICAN?

Mit der Auszeichnung wird die Arbeit von ICAN endlich gewürdigt. Die Kampagne setzt sich auf internationaler Ebene seit zehn Jahren für die Ächtung von Atomwaffen ein. Der Abschluss des Atomwaffenverbotsvertrags im Juli 2017 hat medial kaum Beachtung gefunden. Mit dem Friedensnobelpreis wird dem Anliegen des Verbotsvertrags Nachdruck verliehen.

Wie hat sich die Arbeit der Organisation speziell in Deutschland verändert seit Bekanntgabe der Auszeichnung?

Uns erreichen viele Anfragen für Workshops, Abendveranstaltungen oder der Ruf nach Mobilisierung der Friedenszene. Wir freuen uns über diese Chancen, das Thema zu diskutieren und als kompetente Ansprechpartner*innen wahrgenommen zu werden. Auch wenn wir teilweise an die Grenzen unserer Möglichkeiten kommen.

Gibt es schon Pläne, wofür das Preisgeld von umgerechnet rund 940.000 Euro verwendet wird?

ICAN ist ein Bündnis von über 450 Organisationen in 101 Ländern. Es steht noch nicht fest, wie genau das Geld verteilt wird. Wahrscheinlich wird es zur besseren Vernetzung der Partner*innen eingesetzt.

Durch den Friedensnobelpreis sind die ICAN und ihr Schwerpunktthema medial stark vertreten. Kann das auch ein Impuls sein, die Abschaffung von Atomwaffen im Schulunterricht konkreter zu behandeln?

Wir arbeiten seit dem Sommer daran, das Thema nukleare Abrüstung an Schulen heranzutragen. ICAN wird von sehr jungen Leuten getragen und hat mit dem UN-Vertrag einen neuen, friedenspolitischen Ansatz verfolgt. Das möchten wir gerne an Schüler*innen weitergeben und zeigen: Atomwaffen sind nicht im Kalten Krieg stecken geblieben, sie sind auch heute aktuell und illustrieren viele bestehende Konflikte. Der Vertrag zum Verbot von Atomwaffen zeigt aber auch, dass sich die Staaten des globalen Südens emanzipieren. Der Prozess ist ein interessantes Beispiel für die Funktionsweisen der UN und Machtverschiebungen in der Internationalen Staatengemeinschaft.

Hat ICAN für Schule und Unterricht schon Konzepte entwickelt?

Bis Ende des Jahres wird es Materialien für den Geschichts-und Politikunterricht geben. Langfristig arbeiten wir an einem fächerübergreifenden Ansatz, der Materialien für den Biologie-, Physik- und Erdkundeunterricht bereithält. Außerdem bilden wir ICAN-Botschafter*innen aus ganz Deutschland aus, die Workshops an Schulen geben. Für Mitte 2018 ist eine Fortbildung für Lehrer*innen in Berlin geplant. Außerdem möchten wir Planspiele zum Thema Atomwaffen entwickeln, die im Rahmen von Projekttagen genutzt werden können. Unsere Arbeit konzentriert sich zunächst auf den Unterricht in der Sekundarstufe II.

Der UN-Vertrag gegen Atomwaffen wurde im Juli 2017 unterzeichnet. Bisher unterstützen 122 Staaten die Kampagne. Was sind die nächsten Ziele von ICAN?

Wir als deutsche Sektion, fordern den Beitritt der künftigen Bundesregierung zu dem Verbotsvertrag. Damit fordern wir auch den Abzug der US-Atomwaffen im rheinland-pfälzischen Büchel.

Wie bewertet ICAN, dass Deutschland und andere Mitglieder des NATO-Bündnisses den Vertrag nach wie vor nicht unterzeichnet haben?

Deutschland stellt sich das erste Mal gegen multilaterale Abrüstungsbemühungen. Wenn die Bundesregierung sich außen- und sicherheitspolitisch von den USA, insbesondere unter Präsident Donald Trump, emanzipieren will, muss es dem Verbotsvertrag beitreten. Die bisherige Verweigerung ist das Ergebnis massiven Drucks aus Washington. Diese Reaktion vorab und auch die Reaktionen nach Abschluss des Verbotsvertrages zeigen, dass der Vertrag nicht so idealistisch ist wie er oftmals dargestellt wird, sondern dass er die Einflusssphäre der USA infrage stellt. Sonst wäre die massive öffentliche Ablehnung und Diffamierung des Prozesses und des Vertrags nicht notwendig.

Wie ist das Argument einzuordnen, dass die Unterzeichnung nicht mit der Nato-Mitgliedschaft vereinbar sei?

Die Unterzeichnung ist nach Artikel 1 nur nicht vereinbar mit dem Verbot der Stationierung von Atomwaffen, wie es Deutschland im Rahmen der Nuklearen Teilhabe der NATO praktiziert. Man kann aber Mitglied der NATO und ein verlässlicher Partner sein, ohne an der nuklearen Teilhabe festzuhalten. Griechenland zog sich beispielsweise aus dem Engagement zurück und ist noch immer Teil der NATO, ähnlich wie Kanada.

Die Fragen stellte Jessica Küppers, Redakteurin im NDS Verlag.