Die 23. Schulmail von Staatssekretär Mathias Richter vom 5. Juni 2020 hatte es in sich: Nämlich die Ankündigung, dass aufgrund der erheblichen Verlangsamung des Infektionsgeschehens alle Grundschulen und die Primarstufen der Förderschulen zum 15. Juni 2020 wieder zum Regelbetrieb zurückkehren sollen. Alle Schüler*innen sollen ab diesem Zeitpunkt wieder den Unterricht besuchen können. Eine Woche Vorlauf wird den Schulen zugestanden, sich darauf vorzubereiten, den Normalbetrieb wieder aufzunehmen.
Kinder brauchen keinen Mindestabstand?
Für die Einführung des „verantwortungsvollen Normalbetriebs” wird das Abstandsgebot, das in der Öffentlichkeit nach wie vor gilt, aufgehoben. Stattdessen sollen konstante (Lern-)Gruppen gebildet und durch deren Trennung eine Durchmischung der Schüler*innen vermieden werden. Die Kinder sollen im Klassenverband unterrichtet werden, das in der Primarstufe übliche Klassenlehrer*innen-Prinzip soll helfen, Durchmischungen zu vermeiden. Das NRW-Schulministerium orientiert sich bei diesem Konzept an anderen Bundesländern wie Sachsen. Dort sind die Grundschulen bereits seit Mitte Mai wieder für alle Schüler*innen geöffnet.
Die Landesregierung begibt sich mit dieser Maßnahme auf dünnes Eis. Sie ignoriert die Erkenntnisse von Virolog*innen, die deutlich darauf hinweisen, dass Kinder bis zum Alter von zehn Jahren nicht weniger ansteckend sind. Auch die Tatsache, dass vor allem die Verteilung von Aerosolen zu Neuinfektionen führen, wird schlichtweg ausgeblendet. Stattdessen sitzen ab Mitte Juni nun bis zu 30 Schüler*innen in häufig schlecht belüfteten und zu kleinen Klassenräumen. Und das obwohl diese wenigen zusätzlichen Unterrichtstage nicht dazu führen werden, dass Lernstoff noch vor den Sommerferien nachgeholt werden kann. Das ist ein unverantwortliches Risiko für Schüler*innen, Beschäftigte und ihre Familien und muss rückgängig gemacht werden.
Feste Gruppen sind kein Garant für Infektionsschutz
Die strikte Trennung von Klassen während des Unterrichts ist kein ausreichender Ansatz, um Infektionsschutz zu gewährleisten. Feste Gruppen während der Schulstunden mit gestaffelten Pausen- und Anfangszeiten können trotzdem nicht verhindern, dass Kinder aus verschiedenen Gruppen im Schullalltag mit Busverkehr, Toilettengängen oder in der Offenen Ganztagsschule aufeinandertreffen.
Vom Regelbetrieb weit entfernt
Das Schulministerium hat Erwartungen geweckt, die unmöglich erfüllt werden können. Eins muss klar sein: Selbst wenn Mitte Juni wieder alle Schulen im Primarbereich geöffnet sind, wird der Schulalltag noch meilenweit vom Normalbetrieb entfernt sein. Die Anforderungen an die Hygiene, die Anforderung an die Planungen wegen versetzter Pausen- und Anfangszeiten und natürlich der Lehrkräftemangel machen eine Umsetzung eines Normalbetriebs beinahe unmöglich.
Onlinepetition der GEW NRW
Die Landesregierung hat mit ihrer Entscheidung, die Grundschulen und die Primarstufen der Förderschulen zum 15. Juni zu öffnen, eine Entscheidung gegen den Infektionsschutz an diesen Schulen getroffen und sich gegen die gemeinsame Positionierung von Lehrkräften, Eltern und Schüler*innen gestellt. Die GEW NRW hat daher eine Petition gestartet. Gemeinsam können wir ein kraftvolles Zeichen setzen: Grund- und Förderschulen dürfen nicht zum Versuchsballon der NRW-Landesregierung werden.
Zur Gewährleistung eines verantwortungsvollen Schulbetriebs fordern wir daher:
- Die aktuellen Regelungen für den Unterricht müssen beibehalten werden!
- Abstandsregeln müssen weiterhin auch in Schulen gelten!
- Umfassende Schutzmaßnahmen für das Personal und die Schüler*innen sind zu gewährleisten
- Regelmäßige Testung der Beschäftigten an den Schulen müssen vom Arbeitgeber ermöglicht werden
Bitte unterstützen Sie diese Petition mit Ihrer Unterschrift!
Frauke Rütter, Expertin für Schul- und Bildungspolitik der GEW NRW