Im Vergleich zu Lehramtsanwärter*innen, die zuvor ein Lehramt studiert haben, ist die Belastung für Seiteneinsteiger*innen deutlich höher. Sie müssen von Anfang an umfänglich eigenen Unterricht erteilen. Deshalb sollte es zu Beginn des Seiteneinstiegs – bevor eigener Unterricht erteilt wird – eine intensive und verpflichtende Grundorientierung in Seminaren geben. Damit die Qualität der Ausbildung gesichert ist, müssen Ausbilder*innen ausreichend Zeit haben, sich intensiv mit den Seiteneinsteiger*innen zu befassen, sie in Fachseminaren und Kernseminaren zu betreuen und eigene Ausbildungsformate umzusetzen
Was steckt hinter und in einer guten Lehrkraft?
Die Kernaufgaben eine*r Lehrer*in bestehen darin, fachlich-didaktische Expertise zu haben und gleichzeitig für Schüler*innen ein wertschätzendes Beziehungsangebot sein zu können. Zwischen den beiden Polen: Beziehungsarbeit und Lehr-Lernarbeit bewegt sich die Aufgabe, für die man als Expert*in eines Fachs nicht automatisch qualifiziert ist.
Selbstverständlich gilt das auch umgekehrt: Gut mit Jugendlichen umgehen zu können, macht noch keine*n gute*n Lehrer*in. Kern der Professionalität ist die Kenntnis über das Lernen und die Fähigkeit Lernprozesse anzuregen, zu beleben und zu begleiten. Dazu ist eine sorgfältige Auswahl der Bewerber*innen nötig, die nicht von der Versorgungsnot an Schulen diktiert wird.
Qualitätsmerkmale guter Lehrkräfte
- Freude und Interesse an der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen
- Kooperations- und Teamfähigkeit
- Interaktions- und Beziehungsfähigkeit
- Bereitschaft sich auf didaktische, lerntheoretische und methodische Lernprozesse einzulassen
- Bereitschaft sich auf eine komplexe und vielschichtige Ausbildung einzulassen
- vorbildhafte Kenntnisse der deutschen Sprache
Keine Zusatzaufgaben für Seiteneinsteiger*innen
Seiteneinsteiger*innen müssen sich auf ihre Ausbildung konzentrieren können. Deshalb sollten sie über ihre Unterrichtsverpflichtung hinaus keine Aufgaben in der Schule wie Klassenleitung oder Sonderaufgaben übernehmen. Die Schule muss Mentor*innen bereitstellen und unbedingt darauf achten, dass sich die Arbeitsbelastung in Grenzen hält. Auch das zweite Fach muss gut begleitet und stabil entwickelt werden.
Kolleg*innen im Seiteneinstieg dürfen keine Lückenfüller*innen sein. Vielmehr sollte die Schule ihr Interesse an der Entwicklung einer qualifizierten Lehrkraft aktiv gestalten durch Unterstützung, Entlastung und intensive Einarbeitung. Hier ist die Schulaufsicht gefragt. Andernfalls ist die Möglichkeit, sich konstruktiv dem Ausbildungsprozess zu stellen, sehr eingeschränkt und das Bemühen in den Zentren für schulische Lehrerausbildung (ZfsL) eine zusätzliche Belastung. Die Kolleg*innen bei der Stundenverpflichtungen zu entlasten, ist ebenfalls eine Möglichkeit.
Bei guten Auswahlprozessen, mit einer engagierten Unterstützung durch ZfsL und Schule sind die Möglichkeiten, sich erfolgreich im Beruf zu etablieren für rund 80 Prozent der Seiteneinsteiger*innen gegeben.
Seiteneinstieg ist keine dauerhafte Lösung
Auf Dauer ist der Seiteneinstieg keine Lösung. Vielmehr muss der Lehrberuf generell attraktiver werden: durch ausreichende Studienplatzzahlen, Verbesserung der Bezahlung in bestimmten Lehrämtern und bessere Möglichkeiten der flexiblen Laufbahngestaltung. Voraussetzung dafür ist eine hohe Qualität der Ausbildung an den Hochschulen. Bis dahin kann das System mit einem gut begleiteten und qualifizierenden Seiteneinstieg, der am besten durch eine dritte Phase stabil unterstützt wird, Menschen gewinnen, die die Erfahrungsdichte an den Schulen deutlich erweitern.
Bernhard Damm, Seminarleiter des ZfsL Gelsenkirchen
Hinweis: Diese Ausführungen beziehen sich ausschließlich auf den Seiteneinstieg über die Ordnung zur berufsbegleitenden Ausbildung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern und der Staatsprüfung. Der Seiteneinstieg über die Pädagogische Einführung ist nicht mit einer Ausbildung verbunden und erfolgt in der Regel nur für ein Fach. Deshalb kann er nicht als längerfristige Lösung betrachtet werden.