Anlässlich einer Reise ins Nachkriegsdeutschland äußerte Hannah Arendt sich schockiert über die deutsche „Betriebsamkeit“ und „Geschäftigkeit“, die zur „Hauptwaffe bei der Abwehr der Wirklichkeit“ geworden sei. Die zu dieser Zeit noch kaum begonnene Aufarbeitung der Vergangenheit wurde durch Arbeitsamkeit verstellt, so könnte man sagen.
Mehr noch: Arbeitsamkeit und ein positiver Bezug auf Arbeit haben in Deutschland eine lange Tradition, die bis heute reicht. Um den deutschen Arbeitswahn adäquat kritisieren zu können, bedarf es einer Analyse und Kritik der kulturellen Verlaufs- und Vollzugsformen dieses Wahns und seiner Geschichte. Im Zentrum der deutschen Tradition steht dabei der Topos „Deutsche Arbeit“. Dieser geht in Ansätzen zurück auf Martin Luther, bildet sich im 19. Jahrhundert aus und spielt im Nationalsozialismus eine wichtige Rolle. Die Analyse der nationalsozialistischen Arbeitsauffassung muss der Fluchtpunkt der Untersuchung der deutschen Form des Arbeitswahns sein.
Der Nationalsozialismus stellt die Vorstellung einer höherwertigen, spezifisch deutschen Weise zu arbeiten in den Mittelpunkt seiner Weltanschauung. Das Hakenkreuz solle, so Adolf Hitler in Mein Kampf, den „Sieg des Gedankens der schaffenden Arbeit“ symbolisieren, „die selbst ewig antisemitisch war und antisemitisch sein wird“. Deutsch sei diese Arbeit dann, wenn sie ein Dienst an der Volksgemeinschaft sei. Ausgehend von dieser Bestimmung wurde jedwede Arbeit zum Dienst erhöht, sodass schließlich selbst Vernichtung als Arbeit begriffen werden konnte. Zugleich wurden Arbeit und Nicht-Arbeit zu Kriterien erklärt, die über Einschluss und Ausschluss aus der Volksgemeinschaft und über Leib und Leben im Konzentrationslager entschieden.
Der Vortrag will die Geschichte des Topos „Deutsche Arbeit“ an ausgewählten Beispielen nachzeichnen; von Luther bis Hitler. Dabei wird die nationalsozialistische Zuspitzung in ihren zentralen Aspekten analysiert und nach den Kontinuitätslinien bis heute gefragt.
Diese Veranstaltung wird unterstützt von der GEW Bochum und der GEW Herne.
* Ich will mein Leben zurück => imwlz